Liederbuch für Berg- und Hüttenleute
Liederbuch für Berg- und Hüttenleute
Inventarnummer: FU12186
Schon Agricola beschreibt 1556 in „De Re Metallica Libri XII“ die Sangesfreude der Bergleute Untertage mit dem Hinweis, sich die schwere und gefahrvolle Arbeit erleichtern zu wollen. 300 Jahre später schlossen sich dem allgemeinen Trend folgend auch die Bergleute in eigenen Chören zusammen. Damit gewinnt die Musik im Leben der Bergleute über die Arbeit hinaus eine wichtige Bedeutung für die Freizeitgestaltung sowie die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Zur Bewahrung und Weitergabe des traditionellen Liedguts erschien das erste Liederbuch im Jahre 1862.
Das Bergbaumuseum Borken besitzt mehrere Liederbücher. Sie sind alle vom Berg- und Hüttenmännischen Verein herausgegeben. Das Älteste aus dem Jahr 1889 fasst erstmals eine Liedersammlung aller deutschen Gaue zusammen. Im Gegensatz dazu hat das jüngste Liederbuch aus dem Jahr 1952 Bergmannslieder um Volks- und Wanderlieder, Burschen- und Studentenlieder sowie Trinklieder und lustige Parodien erweitert und thematisch geordnet.
Das hier gezeigte Liederbuch aus dem Jahr 1923 ist das umfangreichste und beschränkt sich ausschließlich auf bergmännisches Liedgut. Die Lieder selbst sind alphabetisch geordnet. Die Schrift ist der Zeit entsprechend in Fraktur gesetzt.
Alle Ausgaben haben im Klappentext eine Illustration, deren Bildinhalt zeitgemäß Bergtypisches widerspiegelt.
Die Illustration im Klappentext des abgebildeten Liederbuchs ist besonders aufwändig gestaltet; sie bezieht sich auf die Lebens- und Arbeitswelt des Bergmanns und ist in der Darstellung idealisiert. Der obere Bildbereich zeigt eine idyllische Familienszene vor ihrem einfachen Zuhause in einer weitgehend agrarischen Umgebung. Nur links im Hintergrund steht eine Fabrik neben einer von Wald umgebenen Siedlung. Vor dem Haus spielt ein musizierender Mann umgeben von zwei tanzenden Mädchen, einem spielenden Knaben und einem älteren Zuschauer. Gemäß der damaligen Familienstruktur hält sich die Frau im Haus auf und lauscht bei der Kinderbetreuung des Jüngsten der Musik. Der untere Bildteil spielt direkt unter der Familienidylle und zeigt einen Bergmann wie er die Gesteinsmassen bearbeitet. Die expressionistische Bildsprache steht im Gegensatz zur Familienszene oben und untermalt damit die kraftzehrende Arbeit. Gleichzeitig bildet diese überdeutlich männliche, ja, heroische Szenerie das Fundament der friedlichen Welt Übertage.
Die Liedtexte greifen alle thematischen Bereiche um die Lebenswelt der Bergleute auf. Im Vordergrund steht dabei im wahrsten Sinne das Loblied auf die täglich zu leistende schwere Arbeit und die damit verbundene Gefahr sowie die Tugenden Mut, Verlässlichkeit, Zusammenhalt und Fleiß. Eine weitere Thematik bildet die Dankbarkeit gegenüber den Schätzen der Erde und der Heiligen Barbara als Beschützerin. Lieder über Geselligkeit und Trinkfreude bilden einen weiteren Schwerpunkt, aber auch die Totenklage ist vertreten. Nur in geringem Maße sind Text enthalten, der die eigentlichen monetären Profiteure der von den Bergleuten geförderten Schätze benennt bzw. beklagt.
Das Objekt befindet sich im Depot unseres Museums